Erdogan gewinnt – ein Sieg für die Türkei

Erst unlängst wieder aus der Türkei zurückgekehrt, empfinde ich über den Wahlausgang geradezu persönliche Erleichterung. Der Welt und vor allem den Türken selbst bleibt eine weitere westlich-liberale Jauchegrube zumindest bis auf weiteres erspart. Mit besonderer Genugtuung kann man es als Deutscher dabei empfinden, daß ausgerechnet die im bundesdeutschen Narrenbiotop lebenden Türken besonders stark für Erdogan votierten; beim zweiten Wahlgang mit stattlichen 67,36 Prozent (im Landesdurchschnitt kam Erdogan auf 52,16 Prozent). Wundern muß man sich darüber nicht – viele konservativ eingestellte Türken haben den links-queeren Irrsinn, der ihnen im Fall einer Abwahl Erdogans geblüht hätte, in Bottrop, Köln oder Gelsenkirchen tagtäglich vor Augen. Sie wollen das vernünftigerweise nicht auch noch im eigenen Land.

Vor allem die geopolitischen Folgen des Wahlausgangs sind gravierend. Unter Erdogan wird die Türkei den eingeschlagenen Kurs einer verstärkten Ost-Orientierung (Rußland, China, Zentralasien) beibehalten und sich als selbstbewußter Akteur in die im Entstehen begriffene eurasische Großraumordnung einbringen. Die NATO muß zusehen, wie ihr ihr südöstlicher Pfeiler sukzessive abhandenkommt; schon 2016 versuchten die USA deshalb, Erdogan wegzuputschen – die russische Funkaufklärung in Syrien bekam davon Wind und warnte ihn. Seither ist die Türkei für Moskau ein mehr oder weniger zuverlässiger Partner. Der von einem Oppositionsbündnis unter Führung der Linkspartei CHP ins Rennen geschickte Gegenkandidat Kilicdaroglu hätte das alles zunichte gemacht und aus der Türkei eine weitere Niederlassung des verkommenen „Wertewestens“ gemacht. Sein Wahlbündnis hatte für den Fall des Wahlsieges unverhohlen bereits einen „regime change“ angekündigt. Das ist nun erst einmal vom Tisch.

Ich selbst habe mein Türken-Bild über die Jahrzehnte hinweg revidiert. Heute fühle ich mich in der Türkei außerordentlich wohl, nicht nur des reichen historischen und archäologischen Erbes wegen. Die Türken sind bodenständig und häufig erfreulich „normal“ – was unter Deutschen leider die Ausnahme geworden ist. Wie das Wahlergebnis zeigt, sind die politischen Instinkte der Nation im großen und ganzen noch intakt, wenngleich es natürlich auch in der Türkei inzwischen übergenug linksliberal Desorientierte gibt.

Als besonders lobenswert habe ich während meines viel zu kurzen Aufenthalts in Bodrum und Umgebung die Pflege des historischen Erbes durch die türkischen Altertumsbehörden empfunden. Es handelt sich ja zu großen Teilen um griechisches, römisches und christliches Erbe. Die Sehenswürdigkeiten sind im allgemeinen gut gepflegt, und der griechischen Vergangenheit begegnet man gerade im Westen des Landes auf Schritt und Tritt. Sie wird ohne jede Feindschaft präsentiert. Einen unerfreulichen Kontrast bot ausgerechnet ein Besuch auf der nur wenige Kilometer entfernt gelegenen griechischen Insel Kos: die dortigen Ausgrabgungsstätten – auch mitten in der Stadt – sind verwahrlost, und die Altstadt von Kos ist bis auf wenige herausgeputzte Gassen im Zentrum stinkig und unsauber. Ich mußte unwillkürlich an den Westen und seine „Werte“ denken. Der Türkei bleiben sie nun erst einmal erspart.

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