Begleite mich auf meiner letzten Reise!

Ein Gastbeitrag zum Thema Sterbebegleitung

Einmal was persönliches und vielleicht kann ich einige Fragen beantworten.
Ich bin Palliativschwester und begleitete Menschen auf ihrem letzen Lebensweg, mit viel Zeit und Liebe. Warum mache ich das ? Wenn sich der Lebenskreislauf schließt, sehe ich das Begleiten von sterbenden Menschen als meine Berufung, ihnen Aufmerksamkeit, Liebe, Zuwendung und alles zu geben, die Begleitsymptome ( Schmerzen, Übelkeit, Unruhe, Angst) zu nehmen. In Zusammenarbeit mit wunderbaren Palliativteams und Ärzten konnte ich vielen Menschen in den letzen 20 Jahren eine würdevolle Begleitung ermöglichen und deren Angehörige auffangen. Jedoch die Veränderung der Gesellschaft zeigt auch in diesem Bereich ihr hässliches Ausmaß. Familien wurden in den letzen Jahren zerstört, der alte Mensch zählt nicht mehr, er gehört nicht mehr in die Mitte der Gesellschaft.

Anhand meines letzen Sterbefalles ist mir bewusst geworden, wie kalt diese Menschheit geworden ist. Eine 94jährige Patientin, an Krebs schwer erkrankt, konnte keine Liebe der Familie erfahren. Ich wurde komplett mit der Begleitung allein gelassen, was mich komplett überfordert hat. Eine alte Dame, die meine Hand nicht loslassen konnte, einen einsamen, regelrechten Todeskampf durchmachte, hat nun endlich ihren Frieden gefunden. Es war so schwer und traurig, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Kein Angehöriger, obwohl mit im Haus, nahm sich Zeit für ihre Bedürfnisse. Alle hofften, das es endlich vorbei ist, da war ja ein Haus und viel Geld. Ich bin dermaßen erschüttert und traurig, dass ich diese Begleitung nicht so beenden konnte, wie ich es kannte.

Was sagt mir das …Zusammenhalt und die Liebe untereinander ist so wertvoll und wichtig. Ich danke meinem lieben Schatz, dass er mir in dieser Zeit, welche mir alle Kraft und Zeit gekostet hat, so viel Liebe und Halt gegeben hat, ohne ihn hätte ich diese schlimme Begleitung nicht geschafft. Die Würde des Menschen ist unantastbar, bis über den Tod hinaus. Das sollte allen Menschen klar sein. Gerade in der Stunde des Todes, sollten wir die Hand der Menschen halten, die wir lieben. Meinen Job werde ich weiter machen, jedoch ist eine Aufarbeitung nötig. Jetzt ist erstmal meine eigene kleine Familie wichtig.

Danke für eure Aufmerksamkeit. Schwester Anja

(Die Gastautorin ist als Alten- und Palliativschwester in Sachsen tätig)

Hinterlasse einen Kommentar