Daheim statt im Heim …

Was macht denn die Schwester Anja den ganzen Tag, was arbeitet sie eigentlich?

Ich mache mich auf den Weg, die erste Patientin, die ich seit 10 Jahren betreue, wartet schon. Ich schließe die Tür auf, rufe freundlich „Guten Morgen, meine Liebe, ein neuer Tag beginnt “ und werde lieb angelächelt und in den Arm genommen, ein Küsschen auf die Wange mit den Worten „Schön dass du da bist, mein Schatz. „. Ein neuer Tag beginnt, voller Liebe.

Nach der Pflege im Bad, bereite ich das Frühstück vor, gemeinsam Hand in Hand. Der Sohn hat frische Brötchen besorgt, wir sollen gemeinsam frühstücken, das tut gut, uns beiden. Wir hören Zarah Leander, sie liebt es, lauschen der Musik, singen laut mit. Wir lachen und freuen uns, wir haben uns und genießen das Beisammensein. Nach dem Frühstück räumen wir den Tisch gemeinsam ab und waschen das Geschirr ab. Es folgen Gedächtnistraining und Sprachübungen. Die Sonne lacht, ein kleiner Spaziergang im Grünen rundet den Besuch ab. Politik und Weltgeschehen bleiben weg, wir freuen uns, über jede Blume, über den Frühling und genießen die Sonne.

Mit meinen Worten “ Kann ich dir noch was Gutes tun? “ zum Abschied, werde ich wieder in den Arm genommen mit einem „Danke, dass es dich gibt, du tust mir so gut „.

Dann geht es weiter, oft auch schweren Herzens, wenn eine Sterbebegleitung ansteht. Aber das ist das Leben, Liebe geben, den Tag verschönern, auffangen, zuhören, da sein.
Gespräche, Beratung und Hilfe, wenn sie gebraucht wird. Wenn man all das geben kann, kommt soviel zurück.

Was heißt Sterbebegleitung? Nicht nur den Sterbenden begleiten, ihm Schmerzen und innere Angst und Unruhe zu nehmen, sondern die ganze Familie aufzufangen, in ihrem Schmerz, der Angst und des Verlustes. Unendliche Gespräche über den Tod, was kommt, was bleibt. Zusammen weinen, reden, aushalten. Es ist nicht leicht, aber es ist eine Stütze, damit niemand zerbricht. Auch das gehört zu meiner Arbeit. Viele Jahre im Hospiz als Palliativschwester haben mir unendlich viel gezeigt, was Leben bedeutet und was Abschied nehmen heißt, für den Sterbenden, für die Angehörigen, für mich.

Auch wenn es nicht immer leicht ist, schwere Momente auszuhalten, ist es wichtig immer noch Mensch zu sein und den Menschen ganzheitlich zu sehen und ihm all das zu geben, was er braucht. Das ist meine Berufung und ich liebe meine Arbeit.

Ich kann den Tag nicht verlängern, aber ich kann alles dafür tun, dass der Tag zum Moment der Freude wird. Daheim statt im Heim, Zuwendung und Liebe im eigenen Zuhause, Hilfe und Respekt, bei den alten Menschen, den Schwerstkranken und den Sterbenden. Vertrauen und Zuversicht, ich lass dich nicht allein, ich bin jetzt für dich da.

Was du aussendest, kommt zu dir zurück, tausendfach erlebt, das macht meine Arbeit so liebenswert. 🩷

schwesteranja.de

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